LEV Foundation: Die erste Studie für Robust Mouse Rejuvenation

An Mäusen sollen die vielversprechendsten Anti-Aging-Therapien getestet werden.

Die 2022 vom britischen Langlebigkeitsforscher Aubrey de Grey gegründete LEV Foundation führt derzeit die wohl wichtigste Mausstudie des Forschungsfeldes durch. Das Ziel: Robust Mouse Rejuvenation. Wir wollen euch auf dem Laufenden halten. Deshalb posten wir von nun an hier die Updates von de Grey. (Bisher sind es nur Berichte über die Forschungsarbeit – erste Daten können wir in ca. sechs Wochen erwarten). In diesem Artikel geben wir euch einen Überblick über die Studie.

Die LEV Foundation

Die Longevity Escape Velocity Foundation hat sich ein großes Ziel gesetzt: „die größten Hindernisse auf dem Weg zu einer breiten Verfügbarkeit wirklich wirksamer Therapien gegen altersbedingte Krankheiten beim Menschen anzugehen“. Der Name leitet sich von Longevity Escape Velocity (auf Deutsch „Langlebigkeits-Fluchtgeschwindigkeit“) ab. Dieses Konzept hat de Grey erstmals in einem 2004 erschienenen Paper definiert. Der Begriff beschreibt die Situation, dass wir mit der ersten Generation von Verjüngungstherapien genug Zeit gewinnen können (zum Beispiel 30 zusätzliche gesunde Lebensjahre), um die Therapien zu verbessern. Und schließlich an denselben Menschen, die in der Zwischenzeit natürlich weiter altern, wieder anzuwenden – und wieder. Auch wenn der Fortschritt in kleinen Schritten passiert, können wir so dafür sorgen, dass unsere verbleibende Lebenserwartung schneller steigt als Zeit vergeht. Damit wäre es möglich, dem altersbedingten Tod zu entfliehen („Fluchtgeschwindigkeit“).

Weitere Projekte der LEV Foundation

Die Stiftung betreibt und finanziert auch noch einige andere Projekte, beispielsweise die Arbeit des Unternehmens Keinice Bio. Dieses Unternehmen arbeitet daran, genetisch angepasste Ersatzorgane für Transplantationen mit ultrakaltem Heliumgas zu konservieren (was auch in der Kryonik den Durchbruch bringen könnte). Sie finanzieren außerdem die Lobbyinitiative A4LI. Diese will das Bewusstsein für das Potenzial der Langlebigkeitsforschung bei US-Regierungsvertretern schärfen und den Kongress zu politischen Maßnahmen bewegen, um die Verlängerung der gesunden Lebensspanne zu fördern.

Weitere Runden der Mausstudie befinden sich bereits in Planung: In diesen sollen auch andere Behandlungen wie beispielsweise Verdünnung des Blutplasmas oder environmental enrichment getestet werden. Wenn genug finanzielle Mittel bereitstehen, könnte die zweite Runde schon im Oktober dieses Jahres starten.

Nun aber endlich zur Studie!

Das Ziel: Robust Mouse Rejuvenation

Das Ziel der Mausstudie ist Robust Mouse Rejuvenation (kurz RMR). Doch was ist das überhaupt?

Laut der ursprünglichen Definition ist RMR dann erreicht, wenn das Altern bei Mäusen mittleren Alters soweit zurückgedreht wird, dass sie statt drei Jahre fünf Jahre alt werden. In der Studie wird das Konzept ein wenig anders definiert: RMR ist demnach erreicht, wenn eine (höchstwahrscheinlich mehrteilige) Therapie

  • an einem Mäusestamm mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von mindestens 30 Monaten (was allgemein eine normale Lebenserwartung für Mäuse ist)
  • im Alter von mindestens 18 Monaten angewendet wird und
  • sowohl die durchschnittliche als auch die maximale Lebensspanne um mindestens 12 Monate verlängert.

Warum ist robuste Mausverjüngung so wichtig?

Mit dieser Studie könnte es erstmals gelingen, einen endgültigen Beweis für das Konzept zu erbringen, dass das Altern viel beeinflussbarer ist, als die Gesellschaft derzeit glaubt – und dass wir es daher als ein behandelbares medizinisches Problem und nicht als eine Tatsache des Lebens betrachten sollten.

Neben den erhofften wissenschaftlichen Erkenntnissen wollen die Forscher damit den diesbezüglichen Paradigmenwechsel in der Fachwelt, Politik und Gesellschaft beschleunigen. Wenn die Ergebnisse so beeindruckend sind, dass die Mehrheit der Experten Verjüngungsmedizin als machbar erklärt und die Medien großflächig darüber berichten, könnte das ein echter Wendepunkt sein. Und dafür sorgen, dass fortan die Mehrheit der Menschen staatliche Investitionen fordert und auch selbst dafür bezahlt.

Dass die Behandlung erst beginnt, wenn die Mäuse zwei Drittel ihres Lebens hinter sich haben, soll sicherstellen, dass sie potenziell für Menschen relevant ist, die heute leben, die Zeitung lesen, Steuern zahlen und wählen.  

Wie läuft die Mausstudie ab?

Die Forscher im Labor von Ichor Life Sciences in New York unterziehen 1000 Mäuse insgesamt vier verschiedenen Behandlungen. Diese haben in vergangenen Experimenten vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Die Mäuse sind alle 19 Monate alt, also im mittleren Alter. Das ist wichtig, weil getestet werden soll, ob die Therapien in kombinierter Form verjüngen, also das Altern durch Reparatur von Schäden rückgängig machen können.

Die vier Behandlungen der Mausstudie

  • Rapamycin
  • Entfernen seneszenter Zellen (mithilfe eines Senolytikums)
  • Telomerase-Gentherapie
  • Stammzellentransplantation
Robuste Mausverjüngung verschiedene Kontrollgruppen
LEV Foundation: https://www.levf.org/projects/robust-mouse-rejuvenation-study-1 (Zugriff: 07.04.2023, 23:02 CET).

Um Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Eingriffen bestmöglich zu untersuchen, haben die Forscher die Mäuse in zehn Gruppen unterteilt. Dadurch können sie auch feststellen, ob die Wechselwirkungen synergistisch oder antagonistisch wirken.

Welche Mausgruppen gibt es?

Eine von den Mausgruppen ist die Kontrollgruppe, die keine Therapie bekommt. Vier Gruppen bekommen jeweils eine der vier Behandlungen. Vier Gruppen bekommen alle Behandlungen außer eine der vier (also insgesamt drei) Behandlungen. Und eine Gruppe erhält alle vier Therapien.

Die Kontrollgruppen, also neun (alle außer die Gruppe mit allen vier Eingriffen), sind wiederum zweigeteilt: Eine Hälfte erhält gar keine Behandlung, die andere Hälfte eine „mock“-Behandlung: den Verabreichungsmechanismus ohne Inhalt. Beispiel: Die Mäuse in der Rapamycin-Gruppe bekommen das Medikament über Mikrokapseln in der Nahrung. Die Mäuse der „mock“-Gruppe erhalten Mikrokapseln ohne Rapamycin, während die Mäuse in der „naive“-Kontrollgruppe gar nichts bekommen (siehe Grafik).

Welche Werte werden in der Mausstudie gemessen?

De Grey plant, zahlreiche Parameter zu messen. Geplant sind Rotarod- und Griffkraftmessungen für die Motorik und Muskelfunktion. Außerdem neuartige Objekterkennung für die Kognition und softwaregestützte Freilandversuche zur Messung von Bewegungsgeschwindigkeit und -dauer, Ganganomalien etc. sowie zur Ermittlung von Anzeichen für Offenheit und Angst. Des Weiteren bewerten sie die Gebrechlichkeit anhand des Körperzustands, des Gewichts und abhängig von Faktoren wie dem Grad der Kyphose und Alopezie.

Darüber hinaus entnehmen sie an allen lebenden Mäusen in Längsrichtung Blutproben. Dadurch kann man die Glukosetoleranz testen, die Blutplättchenzahl bestimmen und die Stammzellentransplantation überprüfen. Einen Teil jeder Probe bewahren sie für die retrospektive Analyse der am längsten lebenden Mäuse auf.

Außerdem opfern sie aus jeder Gruppe von 50 Mäusen 12 Mäuse für Analysen. An diesen Mäusen führen sie eine Nekropsie, ein großes Blutbild mit Leukozyten (zur Beurteilung des Immunstatus), eine blutchemische Untersuchung und die Lagerung aller wichtigen Organe und Gewebe durch. Zu den nachgelagerten Analysen gehören Messungen der Serumzytokine/Chemokine (Entzündungszustand), der Telomerlänge und der epigenetischen Altersbestimmung sowie die histologische Untersuchung der Gewebe.

Die gleiche intensive Post-mortem-Analyse führen sie auch bei jeder vierten Maus durch. Sie schläfern diese Mäuse aus humanen Gründen ein. Die Gewebe- und Bioflüssigkeitsaufbewahrung führen sie bei allen verstorbenen Tieren durch, bei denen der Todeszeitpunkt die Entnahme gültiger Proben erlaubt. 


Aubrey de Grey: Das Gesicht hinter der LEV Foundation

Aubrey de Grey, der früher KI-Forscher gewesen ist und sich autodidaktisch biologische Expertise angeeignet hat, gilt heute als einer der führenden Experten der Alternsforschung. Der gebürtige Engländer hat Anfang der 2000er-Jahre SENS (kurz für „Strategies for Engineered Negligible Senescence“) begründet, einen Forschungsansatz, der darauf abzielt, das Altern unter vollständige medizinische Kontrolle zu bringen. 2003 hat er die Methuselah Foundation gegründet, 2009 die SENS Research Foundation und 2022 die LEV Foundation, von der hier die Rede ist. Er ist Autor des Buches „Niemals alt!“ (2007), zahlreicher wissenschaftlicher Fachartikel und organisiert regelmäßig Konferenzen, auf denen sich die Spitze der Alternsforschung trifft.


Updates zur Robust Mouse Rejuvenation

Weitere Infos findet ihr auf der Homepage der LEV Foundation: https://www.levf.org/projects/robust-mouse-rejuvenation-study-1 – und natürlich in den Updates. Wie man im Englischen sagt: Watch this space!

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